Die 45-jährige Fahrzeugbau-Geschichte Elsterwerda-Biehla
Das Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Zuge der rasanten technischen Entwicklung zunehmend durch den wachsenden Bedarf an Mobilität geprägt. Was mit der Eisenbahn begann, setzte sich in der Erfindung des Verbrennungsmotors fort und seiner ersten erfolgversprechenden Einsätze in eigens dafür gebauten Fahrzeugen. Diese Anfänge der Fahrzeugtechnik sind eng verbunden mit Namen wie Karl Benz, Gottlieb Daimler oder Comte Albert de Dion. Doch die Mobilität im Kleinen und für jeden realisierbar, brachte das Fahrrad. Auf dem Arbeitsweg oder im Alltag, ob Sport oder freier Sonntag, fast universell eröffnete es seinem Besitzer die Möglichkeit der freien Fortbewegung.
Mitten in diese Zeit hinein eröffnete der junge Kaufmann Carl Wilhelm Reichenbach 1890 in Elsterwerda in der Hauptstraße nahe am Markt, ein Schnittwarengeschäft. Auch an dem 1860 in Dobra bei Liebenwerda geborenen, jungen und sportbegeisterten Carl Wilhelm, sollte diese Zeit wachsender Mobilität nicht spurlos vorüber gehen. So war die erste „Pedal – Erfahrung“ ein Veloziped (Hochrad). Sicher kein einfaches fahren, mit Vollgummi-Bereifung und hoch über den holprigen Straßen von damals sitzend. Was aber der Begeisterung für die Zweirad-Fortbewegung keinen Abbruch tat.
Entstehung der Elsterwerdaer Fahrradfabrik C. W. Reichenbach
Den Ruf der Zeit erkennend und nicht nur mit geschäftlichem Interesse am neuen Fortbewegungsmittel Fahrrad interessiert, unterhielt er wenig später neben seinem Schnittwarengeschäft zusätzlich einen Fahrradhandel als Vertreter der in Brandenburg ansässigen Brennabor-Werke.
Schließlich erwarb er am Oberlausitzer Bahnhof in Elsterwerda – Biehla ein größeres Areal, auf welchem dann in einer kleinen, neu errichteten Werkstatt gemeinsam mit dem Werksmeister Springer aus Lauchhammer die „Fahrradfabrik Springer und Reichenbach“ gegründet wurde. 1894 fertigten hier 16 Arbeiter Fahrräder der Marke „Aegir“. Schnell erlangten diese in der näheren Umgebung große Beliebtheit. Bereits ein Jahr nach Gründung der Fahrradfabrik schied der Partner von Carl Wilhelm Reichenbach aus der Gesellschaft aus, wodurch er Alleininhaber wurde. Fortan wurden die Aegir-Fahrräder unter der Bezeichnung „Elsterwerdaer Fahrradfabrik C. W. Reichenbach“ gefertigt. Güte und Zuverlässigkeit der Aegir-Räder sorgten schnell für steigenden Absatz, welcher durch ein stabiles, ständig erweitertes Vertreternetz gesichert wurde. Für den Arbeiter, der in der weitläufig besiedelten Niederlausitz mit dem aufblühenden Braunkohlenbergbau oft lange Strecken zum Arbeitsort zurücklegen musste, wurde das Fahrrad immer gefragter. An freien Tagen gab es der Familie die Möglichkeit der ungebundenen Mobilität. Die Mitglieder der einheimischen Radfahrvereine erwarben überwiegend Aegir-Räder und stellten die Zuverlässigkeit dieser bei einer Vielzahl von selbstveranstalteten Straßenrennen als auch bei den Radrennen des Deutschen Radfahrerbundes unter Beweis.
Fahrrad- & Motorradbau im frühen 20. Jahrhundert
Immer wieder wurde im Werk gebaut und erweitert, neue Arbeitskräfte eingestellt und Werkstätten modernisiert. Die Zahl der gefertigten Fahrräder, die täglich das Werk verließen, stieg. Nicht zuletzt weil neue Fertigungsmethoden und purzelnde Stahlpreise das Fahrrad auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich machten. Doch gab es in den folgenden Jahren auch zeitweilig Sättigung am Markt. Im Werk reagierte man darauf mit der zusätzlichen Herstellung von Nähmaschinen, Zentrifugen und auch in kleinen Serien mit der Fertigung erster Motorräder, welche ebenfalls unter der Bezeichnung „Aegir“ vertrieben wurden.
Doch wie ging die Fertigung der einzelnen Komponenten für Fahrrad und anderer Erzeugnisse vonstatten, in einer Zeit die geprägt war vom technischen Umbruch? In Erinnerung an diese, von Veränderungen geprägte Zeit, schrieb der später als Tischlermeister im Werk tätige Carl Freigang:
„1905 suchte die Firma einen jungen Tischler und ich bekam Arbeit. Ein älterer Glaser, Ernst Graf, war schon in der Tischlerei beschäftigt. Es gab viel Arbeit, da laufend gebaut wurde. Nach meiner Militärzeit 1907-1909 bekam ich meinen Arbeitsplatz wieder. Vieles hatte sich verändert. Die Tischlerei bekam auch eine größere Werkstatt, Maschinen, eine Furnier-einrichtung wurde angeschafft und noch 2 Tischler eingestellt. Ein großes Lager an Weich- und Hartholz wurde gekauft, viele Fahrradteile wurden in Holz eingespannt und mit Holz bearbeitet. Modelle anfertigen gehörte auch dazu … “
Der mittlerweile ansehnliche Maschinenpark im Werk wurde über eine weitverzweigte Transmissionsanlage von einer 60 PS – Dampfmaschine angetrieben. Die notwendige Energie für die galvanischen Bäder und die elektrische Beleuchtung erzeugte ein großer Dynamo. Während in der Dreherei und Schleiferei die Maschinen rotierten, wurden in der Gestell- und Lenkstangen-Bauerei an großen Tischen von geübter Hand Rahmen und Gabeln gebaut, Lenkstangen gebogen, Räder eingespeicht. Teile mit Farbüberzügen erhielten diese in der Lackiererei und härteten anschließend in mächtigen Trockenöfen aus.
An die 100 Arbeiter wurden zu dieser Zeit beschäftigt und die Jahresleistung des Werkes belief sich 1906 auf annähernd 4000 Fahrräder. Zeitgleich lief die Nähmaschinen-Fertigung. Es wurden Modelle für den Hausgebrauch aber auch Luxus-Modelle und Schneidermaschinen hergestellt. Bis zu 2000 Nähmaschinen unterschiedlicher Ausführungen konnten im Jahr an die Frau oder den Mann gebracht werden.
Daneben unterhielt man eine Reparaturwerkstatt wo nicht nur Fahrrädern wieder auf die Sprünge geholfen wurden, sondern auch dem einen oder anderen Motorrad. Und es stand eine zusätzliche Fertigung erster Zentrifugen bevor, welche das Fertigungsprofil noch erweitern sollten.
Top-Marke Aegir
Die Erzeugnisse der Fahrradwerke in Elsterwerda – Biehla hatten sich einen Namen gemacht. Seit Firmengründung wurde auf die Zuverlässigkeit und Güte der hergestellten Aegir-Räder größter Wert gelegt, wusste doch der Gründer C. W. Reichenbach um die Bedeutung dieser Eigenschaften in der Konkurrenz mit anderen Fahrrad-Marken wie Brennabor, Opel, Diamant oder Dürkopp. Schließlich galt es den Absatz zu sichern und zu erweitern. Vielerorts waren Fahrrad-Hersteller entstanden und jeder gedachte sich auf dem stetig wachsenden Markt „Fahrrad“ einen Anteil zu sichern.
Das stetig ausgebaute und straff geführte Vertriebsnetz sorgte für gute Verkaufszahlen. Dennoch gab es auch mal die „Saure Gurken-Zeit“. Schwankungen im Absatz wurde zeitig mit der Erweiterung des Fertigungsprofils begegnet und diese Erzeugnisse eroberten sich ebenfalls ihren Platz.
Mit der Fertigung kleinerer Serien von Motorrädern reagierte das Werk auf die ersten Veränderungen im Straßenbild, welche die aufkommende Motorisierung mit sich brachte. Diese ersten, im Werk hergestellten Motorräder, hatten wie die Fahrräder die Bezeichnung „Aegir“ auf den Tankseiten zu stehen.
Im Stil jener Zeit gebaut, wiesen sie bereits einige Merkmale auf, welche auch für die später dort gefertigten Motorräder kennzeichnend waren, wie den unten offenen Rahmen, mittragender Einbau-Motor und selbstentwickelte und hergestellte Gabeln und Rahmen. Bereits damals wurde der Auszug aus Belegschafts-Foto von 1908 Weg des Motorrad-Konfektionärs gegangen, in dem wie mit AEGIR-Motorrad 3 ½ HP bei solchen Herstellern üblich, neben dem eigenen Rahmen-, Rad- und Gestell-Bau, alle weiteren Komponenten wie Motor, Getriebe, Vergaser, Zündanlage und verschiedene Extras zugekauft wurden.
Die Elsterwerdaer Fahrradfabrik C. W. Reichenbach während und nach dem Ersten Weltkrieg
Bis 1914 stieg die Tagesproduktion auf schließlich 100 Fahrräder. 200 Arbeiter und Angestellte verdienten jetzt 20 Jahre nach der Gründung der „Elsterwerdaer Fahrradfabrik C. W. Reichenbach“, ihr Brot im Werk. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges kam die Produktion fast zum erliegen. Es fehlten die bewährten Arbeitskräfte, welche eingezogen wurden. Der Absatz an Fahrrädern stockte. Der Bedarf von allem was der Krieg an den Fronten verschlang, brachte die Umstellung der Wirtschaft mit sich und somit auch ein verändertes Fertigungsprofil in den Fahrradwerken in Elsterwerda – Biehla. Jetzt lieferte man Armeeräder. Granaten wurden gedreht. Maschinengewehr-Gestelle oder Spiralpfähle für Drahthindernisse gefertigt. Während der gesamten Kriegszeit wurden Erzeugnisse an das Heer geliefert.
Mit Ende des Krieges 1918 konnte die Produktion wieder auf das eigentliche Fertigungsziel umgestellt werden. Nachdem ein wieder intaktes Vertriebsnetz für steigenden Absatz sorgte, wurde es möglich, anfänglich auftretende Schwierigkeiten in der Produktionsumstellung zu überwinden. Alte Geschäftsverbindungen ins Ausland lebten auf. So verkaufte man nun Räder unter der Bezeichnung „Aegir“ und „C.W.R“, welche technisch und qualitativ wieder ihre Herkunft verrieten, nicht nur im Reichsgebiet, sondern auch in den baltischen Ländern, in Dänemark oder Holland. Selbst in Afrika und Südamerika erschlossen sich Absatzmöglichkeiten.
Teilweise Unruhe stifteten noch einmal die Nachkriegswirren der Jahre 1919 – 1920 mit ihren politischen Entwicklungen. Ein großer Streik nach dem Kapp-Putsch hielt das Werk in Atem, wobei ein Aktionsunterausschuss in das Werk eindrang und ein Auto und 16 Fahrräder beschlagnahmte. Doch auch diese Hindernisse wurden überwunden und in den folgenden Jahren stabilisierte sich nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung in der umgebenden Niederlausitz, sondern auch in den „Elsterwerdaer Fahrradwerken C. W. Reichenbach“. Das Werk ging seiner großen Blütezeit entgegen.
Höhen und Tiefen der Elsterwerdaer Fahrradfabrik C. W. Reichenbach
Durch umfangreiche Baumaßnahmen wurde das Werk bis 1924 erheblich vergrößert. Doch stellte der innerdeutsche Absatz durch die galoppierende Inflation ein Problem dar. Da wurde das Werk Ende November von einem schweren Brand heimgesucht, der weite Bereiche wichtiger Werkräume vernichtete. So berichtet Tischler Carl Freigang:
„In der Tischlerei lagen die Spindeln von den Hobelbänken auf dem Fußboden und die Eisenteile vom Werkzeug, das war alles.“
Doch Carl Wilhelm Reichenbach stellte auch in dieser Situation Tatkraft und Weitsicht unter Beweis. Sofort wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Betroffene Betriebsteile zogen in andere, mitunter provisorische Räume um. Durch den Brand verloren gegangene Maschinen und Werkzeuge wurden neu beschafft. Jede freie Hand für das Beseitigen der Brandschäden und das Abputzen von Mauersteinen für die Wiederverwendung genutzt. Die einheimischen Bauunternehmen Berndorf aus Biehla sowie Reiche & Hoffmann und Erfurth & Jacob aus Elsterwerda wurden beauftragt und innerhalb weniger Wochen bis Februar 1925 nicht nur alles wieder aufgebaut, sondern auch moderner und geräumiger. Die neuen, verbesserten Möglichkeiten, die wieder stabilisierte Mark und ein dadurch auflebender Absatz, ließen noch im selben Jahr die Elsterwerdaer Fahrradwerke einen neuen Höchststand erreichen. Gut 400 Arbeiter und Angestellte wurden jetzt beschäftigt und täglich verließen an die 200 Fahrräder das Werk. Das benachbarte Grundstück mit einem kleinen Gasthof und angrenzender Kegelbahn wurde erworben und von der Baufirma Reichel & Hoffmann zu einem Werksgasthof umgebaut.
Setzten Carl Wilhelm Reichenbach und die Elsterwerdaer Fahrradbauer in der Vergangen- heit zurecht darauf, dass vor allem die Herstellung guter Fahrräder die Zukunft des Werkes und seiner Arbeiter sichern konnten, kamen daran im Laufe der späten 20iger Jahre zunehmend Zweifel auf. Mit der Zusatzproduktion von Nähmaschinen, Zentrifugen und kleineren Motorrad-Serien erweiterte man zwar schon früher das Fertigungsprofil, aber die Fertigung der bewährten und beliebten Räder der Marken Aegir und C.W.R. blieb das Rückrad der Produktion. Doch weiterentwickelte Fertigungsverfahren in der Fahrradproduktion, günstige Stahlpreise und ein ständig steigender Ausstoß bei den großen Herstellern machten das Fahrrad zu einem Massenartikel. Jetzt, Ende der 20iger Jahre bezahlte der Käufer entscheidend weniger für ein Fahrrad, als noch vor 20 Jahren. Und … das immer beliebter werdende „motorisierte Fahrrad“ wurde zu einer echten Konkurrenz. Sollte trotz des erreichten Produktionsstandes die Zukunft des Werkes weiterhin gesichert bleiben, musste auf die sich verändernde Situation auf den Straßen in Deutschland und Europa reagiert werden.
Die neue Abteilung: Motorradbau in Elsterwerda
So führte Carl Wilhelm Reichenbach nach sorgfältigen Überlegungen, mit dem Wissen um die sich verändernde Marktsituation, aber auch mit der Kenntnis des Potentials der Fahrradbauer in Elsterwerda – Biehla, im Juni 1928 die Abteilung Motorradbau im Werk ein. Im Herbst erschienen dann bereits die ersten Maschinen auf den Straßen, welche von nun an unter der Marke “Elfa“ vertrieben wurden. Wahlweise war Riemen- oder Kettenantrieb möglich. Die ersten verwendeten Motoren lieferte DKW. Sie besaßen 200 ccm, leisteten 4 PS und brachten die „Elfa“ auf gute 70 km/h.
In der Grundausstattung ohne Licht, Hupe und Soziussitz, waren sie auch über ein mehrfach gestuftes Teilzahlungssystem zu erwerben und auf Grund des Hubraumes von 200 ccm Steuer- und Führerscheinfrei. Extras konnten über Aufpreis dazugekauft werden.
Schnell eroberten die Elfa – Motorräder nicht nur die Herzen des Alltagsfahrers, sondern auch der motorsportbegeisterten Jugend. Durch die Erweiterung des Angebotes an verschiedenen Motorisierungen entsprach man den unterschiedlichen Kundenwünschen. So dauerte es nicht lange und neben dem 200 ccm DKW-Aggregat waren auch „Elfa`s“ mit Motoren von Bark, Windhoff, Bark oder Küchen erhältlich, welche nun mit Vertriebsleiter Bruno Thieme mit Elfa T 200 gestaffelten Hubraumgrößen und Motorleistungen das (DKW-Motor) Angebotssortiment erweitern halfen.
Die ausgelieferten Modelle gab es in der Touren (T)-, Sport(S)- oder Luxus-Sport (LS)-Version. Zusätzlich fertigte man Motorfahrräder mit Fichtel & Sachs –Motoren von anfangs 75 ccm, welche später auf die 98 ccm Variante umgestellt wurden. Für kleinere Handwerksbetriebe und Händler gedacht, entstand der dreirädrige Elfa – Lieferwagen. Mit 200 ccm Maschine ausgestattet und damit Steuer- und Führerscheinfrei, sollte er für diese ein ideales Transportmittel sein.
Seit Beginn des Motorradbaus in den Elsterwerdaer Fahrradwerken standen die gefertigten Modelle vor allem für eine solide Ausführung, gutes Fahrverhalten und hohe Zuverlässigkeit. Diese Eigenschaften stellten die Fahrzeuge nicht nur im täglichen Gebrauch unter Beweis. Auch der eine oder andere Rennfahrer vertraute auf die robusten und zuverlässigen Maschinen in der 500 ccm Version, die ausgestattet mit dem Königswellengesteuerten Motor von Richard Küchen auch Rennerfolge einfuhr. Ein Engagement im Rennsport stand jedoch nie im Fokus.
Grundsätzlich blieb man im Werk immer bei der Auffassung, grundsolide, erschwingliche und vor allem zuverlässige Motorräder zu bauen, die in ihrer Motorisierung auf ein breites Käuferspektrum ausgerichtet sind und bei denen weitestgehend auf technische Experimente verzichtet werden soll. Die Verwendung bewährter Zulieferteile wie Getriebe von Fichtel & Sachs sowie Hurt, Motoren von DKW, Küchen , Bark oder Windhoff und nicht zuletzt der eigene, zuverlässige, mit viel Erfahrung aus über 30 Jahren Fahrradbau versehene Rahmen- und Gestell-Bau, sollten sicherer Garant dafür sein. Zunehmend kamen neben den leistungsstarken Maschinen auch die kleineren Motorfahrräder in Mode. Ihr Plus waren die Mobilität zum günstigen Preis und die leichte Handhabung, so dass sie auch für die Frau gut zu beherrschen waren.
Die Prüfungsberichte von „Elfa“- Testfahrten die erschienen, bescheinigten den Motorrädern aus Elsterwerda – Biehla Zuverlässigkeit und Solidität, Wartungsfreundlichkeit und Fahrspaß. Die Maxime des Firmengründers Carl Wilhelm Reichenbach zahlten sich aus und nach den Aegir – Fahrrädern waren die Elfa – Motorräder auf dem besten Wege sich ebenfalls einen Namen zu schaffen.
Die Fertigung dieser erfolgte nun, Anfang der 30iger Jahre, unter gänzlich anderen Bedingungen als zu Gründungszeiten. Der überwiegende Teil der fertigen Fahr- und Motorräder wurden nicht in der näheren Umgebung abgesetzt, sondern in ein weitverzweigtes Verkaufsstellennetz geliefert. Dabei war Anbindung an den Bahnhof Elsterwerda – Biehla von Beginn an ein günstiger Umstand für den Versand. In dicke Papierstreifen gewickelt, teilweise auch in Komponenten zerlegt, wurden die versandfertigen Räder mit Lorenbahn oder LKW zur Verladerampe des Bahnhofs gebracht. Motorräder und Motorfahrräder erhielten für den Versand sogar eigene Holz-Verschläge.
Doch wie in vielen anderen Unternehmen Deutschlands, so bekam man auch hier die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren. So erfolgte Ende 1931 eine große Entlassungswelle im Werk. Ähnlich wie bei anderen Fahrzeug-Herstellern war ein starker Absatzrückgang zu verzeichnen und die Belegschaften mussten massiv zurückgefahren werden. Während auf das Fahrrad-Geschäft weiter vertraut wurde, bahnte sich für die „Elfa“ – Motorräder auf Grund der generellen Entwicklung im Motorradsektor eine schicksalhafte Zeit an. In ihrer Fertigung solide, beim Kunden beliebt und das nicht nur wegen des wirklich günstigen Preissegments, gestaltete sich der Vertrieb der „Elfa`s“ zunehmend schwieriger.
Obwohl in der Modell-Palette gut aufge- stellt, schien man die Schwierigkeiten kommen zu sehen. Auch die Konkurrenz hatte mit der Weltwirtschaftskrise zu kämpfen und reagierte. Es wurde eingespart, fusioniert oder Modellpflege betrieben. Manch einer blieb auf der Strecke. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gestaltete sich der Fahrzeugbau zusätzlich schwierig, da viele Importprodukte nicht mehr zur Verfügung standen. Nicht selten waren in dieser Zeit Rahmen und Motor in Ihrer Herstellungszeit 1 Jahr oder länger auseinander und das bei vielen Herstellern. Was liegen blieb wurde später verbaut.
Die großen Hersteller wie DKW, NSU oder BMW konnten diese Zeit besser überstehen als die „Kleinen“ und so zeichnete sich für die Maschinen mit 200 bis 500 ccm im Zeitraum 1932/33 das Ende der Ferti-gung ab. Die nach wie vor gut gehenden Motorfahrräder blieben jedoch weiter im Programm und natürlich die Fahrräder. Was damals sicher eine wirtschaftliche Notwendigkeit darstellte, stimmt den heutigen „Elfa“- Fan eher etwas wehmütig.
Auch wenn die 98 ccm Fichtel & Sachs weiter produziert wurden ging doch mit dem Auslaufen gerade der „Großen Maschinen“, allen voran mit der Elfa 500 und ihrem langhubigen, 19 PS starken Königswellen-Motor von Richard Küchen das Paradestück des Werkes, eine glanzvolle aber kurze Epoche zu Ende. Die Fahrzeuge jedoch, welche die nachfolgenden Jahre überdauerten, ließen diese Zeit legendär werden. Die Zeit der Fahrräder und Kleinstmotorräder lebte weiter.
Nach dem die Wirtschaftskrise Mitte der 30iger Jahre leidlich überwunden war und sich der Absatz der Werkserzeugnisse zunehmend positiver gestaltete, stieg auch wieder die Anzahl der Arbeitskräfte in den Biehlaer Fahrradwerken. Die Modell-Pflege an den produzierten Fahrrädern und Leichtmotorrädern beschränkte sich auf kleinere technische Veränderungen. Wurde bei den Leichtmotorrädern auf die bewährte Mischung aus dem stabilen Rahmenbau eigener Herstellung und dem 98 ccm – Motor von Fichtel & Sachs vertraut, so war es bei den Fahrrädern die breite Sortiments-Palette bis hin zu den extra-stabilen Gepäckrädern.
Nachdem Carl Wilhelm Reichenbach die Leitung des Werkes 1933 an seinen Sohn Erich übergeben hatte, konnte der Kunde auf den nächsten Prospekten dann „Elsterwerdaer Fahrradfabrik / E.W. Reichenbach GMBH“ lesen. Für Produktion und Vertrieb selbst änderte sich an der Ausrichtung wenig.
Im Vertriebsnetz des Werkes fanden sich auch Verkaufsstellen in Elsterwerda. So hatte in der Hauptstraße 4 Wilhelm Winkelmann seit Anfang der 30iger Jahre sein Fahrradgeschäft mit Reparaturwerkstatt. Im Werk selbst war er seit 1921 als Geselle und 1 ½ Jahre später als Meister tätig. Doch die massiven Einschnitte, welche die Wirtschaftskrise mit sich brachte, kosteten auch ihn den Arbeitsplatz. Mit dem Geschäft blieb er den „Elfa“- Fahr- und Motorrädern weiter verbunden. Aus seinen Geschäftspapieren lassen sich interessante Einblicke in den Vertrieb der Elfa – Fahrzeuge gewinnen. So konnte W. Winkelmann für den Verkauf der Motorräder aller Hubraum-Größen mit dem Werk vereinbarte Rabatte gewähren. Ersatzteile für die Reparatur von Fahrrädern bezog er teilweise im Werk selbst.
Seit seiner Gründung im Jahr 1894 hatte das Fahrradwerk in Elsterwerda – Biehla trotz der Hochs und Tiefs, die eine bewegte, von großen Umwälzungen geprägte Zeit mit sich brachte, eine sehr erfolgreiche Entwicklung genommen, die neben der Stadt auch auf die gesamte Region ausstrahlte. Die mittlerweile legendär gewordenen Fahrräder der Marken „Aegir“ und „C.W.R.“ ebenso wie die „Elfa“-Motorräder, hatten sich vorn nicht nur in der näheren Umgebung sondern in ganz Deutschland einen Namen gemacht.
All diese Entwicklungen waren stets eng mit dem Namen des Firmengründers Carl Wilhelm Reichenbach verbunden. Doch auch außerhalb seines Wirkens im Werk trat er prägend für Elsterwerda und die Umgebung in Erscheinung. Von 1908 bis 1918 war er in Biehla als Gemeindeschöffe und stellvertretender Gemeindevorsteher tätig. Die umliegenden Sand- und Gruben-Betriebe weckten von jeher sein Interesse. Davon zeugen die Beteiligungen an den Sandfeldern der Biehlaer Germania-Werke und der Oberlausitzer Kies- und Sandfelder (OKS) – Otto Fahr. Er erwarb die unrentabel gewordene Grube „Freitag“ bei Kraupa und ließ sie zu einem Schwimmbad (Bad Aegir) ausbauen. Selbst am Sägewerk August Jahre war er beteiligt.
1939 beschäftigte das Werk rund 500 Arbeiter und Angestellte. Die Fertigung der beliebten Fahrräder und Leichtmotorräder fand guten Absatz. Doch mit Ausbruch des 2. Weltkrieges erfolgte wiederum eine Umstellung der Produktion auf Kriegsbedarf. Niemand konnte ahnen, dass dieser Krieg das Ende einer Ära einleiten sollte. Am 19. April 1945 wurde das Werk, bei einem Bombenangriff anglo-amerikanischer Bomber auf die Stadt, zerstört. Carl Wilhelm Reichenbach erlebte diesen schicksalsschweren Tag nicht mehr. Er verstarb bereits am 17. Mai 1937 in Elsterwerda – Biehla.
Nach dem Krieg wurde das zerstörte Werk neu aufgebaut, die Fahrzeug-Herstellung aber nicht wieder aufgenommen. Jetzt wurden Produkte, welche die Nachkriegszeit notwendig werden ließ, gefertigt. Später machte man wieder von sich reden. Unter dem Namen „Impulsa“ wurden Melkanlagen hergestellt und weltweit vertrieben.
Das Jahr 1939 aber bedeutete das Aus für „Aegir“ und „Elfa`s“. 45 Jahre Fahrzeugbau in Elsterwerda – Biehla schrieben ein Stück Geschichte. Hier wurden Fahrräder und Motorräder gebaut, die sich großer Beliebtheit erfreuten und für gute handwerkliche Arbeit, Robustheit, Zuverlässigkeit und Fahrspaß standen. Nicht viele dieser Fahrzeuge haben die Zeit bis heute überlebt.